Einsamkeit

24. Nov 2021, 14:59
Interregnum I

Allein zu sein ist keine Einsamkeit,
solange es mein Ich gibt, welches denkt,
ein Ich, das mir ein Du hält stets bereit
und mir ein Sehnen und ein Hoffen schenkt.

Doch wenn das Ich – aus irgendwelchen Gründen –
erkennt, dass dieses Du bloß Echo-Ton,
und alle Träume nur im Dunklen münden,
und selbst mein Ich zerfließt zu Illusion,

das Göttliche jedoch sich noch nicht zeigt
und das was Ich gewesen, ohne Zeit,
in eine dunkle Leere sinkt und schweigt,
dann weiß die Seele um die Einsamkeit.

Geburt

Verzweifelt klammert sich das Ich ans Nichts
und füllt die Schwerelosigkeit mit Tränen.
Sie werden so zu Boten jenes Lichts,
das in mir sprießen lässt ein neues Sehnen.

Das Tränenmeer stößt bald an seine Grenzen
und lehrt mich das Gesetz der Zweisamkeit.
Das Ich begehrt und fühlt die Spiegel glänzen,
der Schein gebiert das Du in Raum und Zeit.
Interregnum II

Doch nichts ist stärker als die Einsamkeit.
Sie lehrt geduldig mich und mit Geschick,
trotz meiner Gegenwehr und Eitelkeit,
von ihrem Sein, von Gott und Augenblick.

Sie lenkt das Sehnen über Glück und Du
und über permanentes Abschiednehmen
dem einen Ziel, dem Universum zu
und lässt mich hoffen ohne mich zu schämen.

Der Tod wird Pforte sein und Übergang
in jene Welten ohne Raum und Zeit.
Noch ist mein Ego stark und mir ist bang.

Noch füg ich lieber mich dem Spiegelzwang,
noch will ich leben, bin ich nicht bereit,
doch jenseits steht das Zeichen auf Empfang.

23.11.2021