Der Lebenszug

18. Jun 2022, 21:12
Der Lebenszug fährt mit uns Ringelspiel.
Wir kennen weder Ausgangspunkt noch Ziel.
Erfassen können wir in dieser Welt
nur Leben, das in Raum und Zeit zerfällt.

Taucht aus dem Nichts und fährt ins Nichts zurück,
sammelt Wagone für das Lebensglück
und hängt sie wieder ab, nach langer Fahrt,
weil er sich dadurch Kraft und Mühe spart.

Doch hält er einmal an, fährt er sich fest,
wenn diese Welt, wenn Raum und Zeit er lässt?
Der Zug vom Urknall zur Endstation,
ist Wahrheit er oder Illusion?

Einsamkeit

24. Nov 2021, 14:59
Interregnum I

Allein zu sein ist keine Einsamkeit,
solange es mein Ich gibt, welches denkt,
ein Ich, das mir ein Du hält stets bereit
und mir ein Sehnen und ein Hoffen schenkt.

Doch wenn das Ich – aus irgendwelchen Gründen –
erkennt, dass dieses Du bloß Echo-Ton,
und alle Träume nur im Dunklen münden,
und selbst mein Ich zerfließt zu Illusion,

das Göttliche jedoch sich noch nicht zeigt
und das was Ich gewesen, ohne Zeit,
in eine dunkle Leere sinkt und schweigt,
dann weiß die Seele um die Einsamkeit.

Geburt

Verzweifelt klammert sich das Ich ans Nichts
und füllt die Schwerelosigkeit mit Tränen.
Sie werden so zu Boten jenes Lichts,
das in mir sprießen lässt ein neues Sehnen.

Das Tränenmeer stößt bald an seine Grenzen
und lehrt mich das Gesetz der Zweisamkeit.
Das Ich begehrt und fühlt die Spiegel glänzen,
der Schein gebiert das Du in Raum und Zeit.
Interregnum II

Doch nichts ist stärker als die Einsamkeit.
Sie lehrt geduldig mich und mit Geschick,
trotz meiner Gegenwehr und Eitelkeit,
von ihrem Sein, von Gott und Augenblick.

Sie lenkt das Sehnen über Glück und Du
und über permanentes Abschiednehmen
dem einen Ziel, dem Universum zu
und lässt mich hoffen ohne mich zu schämen.

Der Tod wird Pforte sein und Übergang
in jene Welten ohne Raum und Zeit.
Noch ist mein Ego stark und mir ist bang.

Noch füg ich lieber mich dem Spiegelzwang,
noch will ich leben, bin ich nicht bereit,
doch jenseits steht das Zeichen auf Empfang.

23.11.2021

Auto-(renschicksal)

28. Feb 2021, 12:29

Was ich hier niederschreibe

ist nur für mich gedacht.
Dabei hab ich Gedichte

für andere gemacht.
Doch blieb das Interesse

für sie bloß peripher,
und ich, der ich sie liebte,

tat sich damit recht schwer.

Fand ich doch meine Kinder

erbaulich, klug und fein,
sie schienen mir gefällig

und gut geformt zu sein.
Wenn ich sie präsentierte,

war Staunen ringsumher

und mancher, vorher skeptisch,

bewunderte sie sehr.

So schnell, wie sie gefallen,

Empfindungen geschürt,

hat man sie auch vergessen,

hinkünftig unberührt.

Warum das immer wieder

in dieser Form geschieht,
als ungelöste Frage

sich durch mein Leben zieht.

So bleiben diese Kinder

schlussendlich mir allein,
muss ich mit Ihnen kritisch,

zugleich auch liebend sein,
erkennen, was ihr Dasein

mit meiner Seele macht:
Das was ich niederschreibe,

ist nur für mich gedacht.

 

28.02.2021

 

Zuversicht

Manch einer hat es schon probiert
und kurzerhand die Welt regiert.
Auch wenn das regelmäßig scheitert,
wird so der Horizont erweitert.

Es gab schon vielerlei Regenten,
die sich als Auserwählte wähnten,
es gab verbrecherische Kerle,
und hin und wieder eine Perle.

Es waren Männer, Frauen, Kinder,
denn keiner ist der Macht zu minder,
doch sind vergessen all die Namen,
die einst geprägt den Weltenrahmen.
Nur eine herrscht schon seit Aeonen
und überdauert Zeit und Zonen.
Geburt und Tod und alles Leben
ist stets in ihre Hand gegeben.

Sie hat im Griff den Weltenlauf
und setzt sich grad die Krone auf.
Regiert uns Angst? Regiert uns Licht?
Welch Namen geb’ ich dem Gedicht?
Ich nenn es lieber Zuversicht.

31.07.2020

Himmel und Hölle

Wie bange ist mir, Altes hinzugeben.
Ich dulde Schmerzen, um es festzuhalten.
Und Schmerz drückt auf die Zuversicht im Leben,
dass ich imstand wär, Neues zu gestalten.

So führt die Bahn im Kreislauf der Spirale
nur stetig abwärts in die tiefsten Gründe,
bis mich die Qual gewordnen Schmerzsignale
daran erinnern: Stillstand, das ist Sünde.

Im Augenblick, da meine Kräfte schwinden
und ich gezwungen werde, loszulassen,
beginnen neue Kräfte, mich zu finden,
und ich lieg da, erschöpft, und kann’s nicht fassen.
Die Operation, sie ist gelungen.
Die Wunde blutet noch und wird verbunden.
Der Schmerz hat längst sein Abschiedslied gesungen.
Die Zuversicht kehrt heim: Ich werd gesunden!

Der Weltenlauf ist ständig in Bewegung.
Das Leben altert und wird wieder jung.
Gott lebt inmitten Stille und Erregung
und Gottes Name ist: Veränderung.

26.04.2020

Entbehrung

Ich brauche wieder Haut auf meinen Fingern,
die Haut des Du und Lust sie zu berühren.
So wie der Panther hinter seinen Zwingern
versterbe ich, kann ich die Welt nicht spüren.

Ich brauche wieder Funkenflug und Feuer
und auch den Wind, der es in mir entfacht,
bis es, entflammt zum Liebesungeheuer,
vom Du gezähmt wird – oder ausgelacht.

Ich brauche dieses Du mit allen Sinnen,
den Witz, die Stimme und die Phantasie,
ich brauch es außen und ich brauch es innen,
ich brauch es analog als Vis-à-vis.
Ich kann so manches und auch lang entbehren,
an Dingen geht mir selten etwas ab,
jedoch kann ich mich fürchterlich beschweren,
wenn ich geraume Zeit mein Du nicht hab!

(dem Corona-Virus ins Stammbuch geschrieben)

20.04.2020

Es

Die Regelwerke, die der Mensch erlassen,
die können diese Schöpfung nicht erfassen.
Trotz noch so kluger Bücher und Sentenzen,
das Universum lässt sich nicht begrenzen.

Auch Diktatur und Freiheit sind bloß Pole
auf Gottes grenzenloser Spielkonsole,
die so wie ihre Brüder Krieg und Frieden
Geschwister sind und trotzdem grundverschieden,

und dennoch gleichsam wieder eng beisammen,
weil alle sie aus einer Wurzel stammen;
ein Lebensbaum mit ungezählten Zweigen.
Ein in sich kreisender, bewegter Reigen.

Wie man den großen Geist am besten wohl beschriebe:
Den einen ist er Wahrheit, andren Liebe.
Für mich ist er das Ende des Gedichts,
ist zeitlos, reimlos, alles oder nichts.

27.03.2020

Heimwärts

Lesebuch
mit Gedichten von Josef Newerkla,
und Bildern von Prof. Willibald Zahrl
Verlag Berger Horn, 256 Seiten, 37 Abbildungen, humorvoll, besinnlich, gediegen,
Preis: € 25,--
beim Autor und in jedem guten Buchhandel.

Daher vorerst keine aktuellen Texte auf der Homepage.

 

Erscheinungstag: 18.02.2019